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Quo vadis ars?

In zahlreichen Interviews, Corona-Tagebüchern, Kommentaren und Berichten wurde in den letzten Wochen die Situation der Kulturbranche beschrieben und diskutiert. Unsere kommentierte Sammlung von mittlerweile 193 Quellen versammelt Stimmen aus unterschiedlichen Sparten und Medien. So entsteht ein Bild der Kulturlandschaft in der Krise, deren zeitliche Wandlung interaktiv über eine eigene Tag-Cloud erdkundet werden kann.


 

Ein Jahr ohne Werke . Was es für das Musikleben bedeutet, wenn Verlage um ihr Überleben kämpfen

by Merle Krafeld (03 Feb 2021)
Original source: VAN Magazin für klassische Musik

Musikverlage spielen eine wichtige Rolle im kulturellen Ökosystem. Sie werben nicht nur für das Werk von Komponist*innen, sondern Erarbeiten durchdachte Blätterstellen in Einzelstimmen, sorgen für eine gute Bindequalität der Noten und erarbeiten Neuausgaben von historischen Werken. Dafür betreiben sie Quellenforschung und arbeiten mit wissenschaftlicher Genauigkeit. Einnahmen generieren die Verlage daher nicht nur aus dem Verkauf der Noten, sondern vor allem aus dem Verleih von Notensätzen von meist urheberrechtlich geschützten Wer ken an Orchester und Chöre. Die Leihgebühren setzen sich aus verschiedenen Faktoren wie z.B. Länge und Besetzung des Werkes, Zahl der Aufführungen und verkäuflichen Sitzplätze zusammen. Im vergangenen Jahr brach der Umsatz aus dem Leihverkehr für die Musikverlage um bis zu 80 Prozent ein. Neben den Leihgebühren brachen zudem für Verlage und Rechteinhaber die Einnahmen aus Ausschüttungen der GEMA und ausländischer Verwertungsgesellschaften sowie der VG Musikedition weg. Da Tantiemen in der Regel erst im Folgejahr ausgeschüttet werden, macht sich der Einnahmeausfall hier erst in 2021 bemerkbar. Besonders betroffen sind auch Verlage, die sich auf Chormusik spezialisiert haben, da hier nicht absehbar ist, wann der Probenbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Im Lockdown boomte lediglich der Kauf von Einzelstimmen und klein besetzter Kammermusik. Der Henle-Verlag, der unter anderem mit einer App dieses Segment bedient, ist der einzige Verlag, der in 2020 ein Umsatzplus verbuchen konnte.
So lange im Kulturbereich keine Planungssicherheit besteht, wird der Verkauf und Verleih von Noten nicht anziehen. Die Mitarbeiter*innen der Verlage sind daher aktuell in Kurzarbeit und arbeiten gleichzeitig mit Hochdruck daran, Werke mit kleiner Besetzung anzubieten.
Viele Verlage fallen aktuell durch das Raster der Hilfszahlungen, weil sie entweder zu klein oder zu groß sind. Aus dem Programm Neustart Kultur können Umsatzrückgänge aus dem Mietbereich kompensiert werden, allerdings nur 30 Prozent des entgangenen Umsatzes von April bis November 2020, auf den bereits erhaltene Hilfen wie z.B. Kurzarbeitergeld angerechnet werden muss. So ist die Hilfe am Ende nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

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tag Musikverlage GEMA Planungssicherheit Chormusik Leihverkehr Kurzarbeit Neustart Kultur
Musik Bericht

Stille mit Vorsatz . Verbale Aufrüstung schlägt nötige Differenzierung: zur Kritik der Kulturbranche am zweiten Shutdown

by Hartmut Welscher, Christian Koch (04 Nov 2020)
Original source: VAN Magazin für klassische Musik

Dass der November-Lockdown Kunst und Kultur besonders hart trifft, obwohl hervorragende Hygienekonzepte zum Schutz des Publikums ausgearbeitet wurden, spaltet die Kulturwelt. In offenen Briefen und Beiträgen in Zeitungen und sozialen Medien wurde der Unmut zum Ausdruck gebracht. Nur wenige ausgewogene Stimmen sind aktuell zu vernehmen. An dieser Situation sind Bundes- und Landesregierungen nicht unschuldig, haben sie es doch mit ihrer unzureichenden Begründung, welche Kultur- und Wirtschaftsbereiche geschlossen werden und welche weiterhin geöffnet haben d& uuml;rfen, für Unmut gesorgt. Wie bereits im März fühlen sich viele Kulturschaffenden von der Politik und der Zuordnung zu den nicht-systemrelevanten Berufen gekränkt und in ihrer Funktion für die Gesellschaft nicht wertgeschätzt. Viele schlossen sich nun dem Statement des Trompeters Tim Brönner an, der beklagte, dass die Kulturbranche keine Lobby habe, und versuchten sich Gehör zu verschaffen. Die verbale Aufrüstung verdeckt allerdings, dass Pandemie für die Künstler*innen eine zweifache Bedrohung darstellt: neben der materiellen Bedrohung finden sich viele zunehmend in einer Sinn- und Identitätskrise, wenn sie nicht mehr auftreten, nicht mehr mit Publikum interagieren dürfen. Und so verschaffen sich Künstler*innen aktuell lautstark Gehör, finden damit aber noch keine Orientierung. Dies betrifft nicht nur die Kultur, sondern auch die Politik, die aktuell eher ein Vorwärtsstolpern, denn ein gezieltes Lenken der Prozesse auszeichnet. Und so weckt es bei den Autoren Unbehagen, wenn Finanzminister Olaf Scholz immer neue Hilfsprogramme zugesteht. Die öffentlichen Mittel sind begrenzt, erste Kommunen legen schon den Rotstift an.
Für den Kulturbetrieb stellt sich nun die Frage, wo die Entwicklung hingeht. Ein Zurück zum Status quo wird es kaum geben – zumal dieser auch vor der Krise kein guter war. Viele Musiker*innen waren zu Beginn der Pandemie froh, dem »Hamsterrad des globalen Wettbewerb- und Konkurrenzdrucks entkommen« zu sein. Kann nicht die Quantität der Qualität ein Stück weit das Feld überlassen? Damit könnte der Kulturbetrieb zugleich seinen Beitrag zur Lösung der ökologischen Frage leisten.

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tag Klassik Musikbranche November-Lockdown Lagerbildung Lobby Sinnkrise Existenzkrise Quo vadis ars Stille Hamsterrad
Musik Bericht

DOV: In der Klassik fallen viele durch alle Förderraster . Corona-Hilfen für die Musik

by Gerald Mertens, Jörg Biesler (02 Aug 2020)
Original source: Deutschlandfunk

Förderbedingungen für die Sparte Musik wurden vom Bund aufgestockt. Auch Lebenshaltungskosten können nun berücksichtigt werden. Dennoch reicht die Unterstützung bei weitem nicht, die Milliardenverluste in der Branche aufzufangen – zumal für Musiker*innen alle Beschäftigungsstrecken gleichzeitig weggebrochen sind.
 Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) schildert im Interview die aktuelle Lage der Künstler*innen und Orchester.
Die Länder haben unterschiedlich viele Dinge gemacht. Die Programme des Bundes setzen an den unterschiedlichen Stellen an. Mertens geht perspektivisch davon aus, dass noch 12 Monate mit einem Notplan gearbeitet werden muss. Die Lage ist aktuell in den Orchestern so, dass im Festanstellungsbereich rund 70 Prozent der Musiker*innen in Kurzarbeit sind. Die Orchester selbst werden so wohl über die Runden kommen. In geschlossenen Räumen gibt es nach wie vor große Probleme mit den Abstandsregeln auf der Bühne und der Umsetzung der Hygieneregeln. Die neue Spielzeit ist noch immer nicht sicher planbar.
Die Unterstützung des Bundes ist nicht für die klassische Musik vorgesehen: Die 10 Millionen der Initiative Musik helfen dem Rock-, Pop- und Jazzbereich, sowie Hip-Hop und Metall, 10 weitere Millionen, die an den Musikfonds gegangen sind, unterstützen den Bereich der Neuen Musik und dem Jazz. Die klassische Musik fällt aktuell durch das Raster. Das hat zur Folge, dass erste Künstler*innen bereits jetzt darüber nachdenken, den Beruf zu wechseln. Ein ganzes Jahr können die Musiker*innen ohne Einnahmen nicht überstehen. Deutliche Lücken in der klassischen Musik und im Kulturbetrieb zeichnen sich bereits ab. Ein Apell ging beispielsweise an die großen Kirchen mehr Musiker*innen in den Gottesdiensten einzusetzen. Die öffentliche Förderung muss hier weiter unter die Arme greifen, weil kleinere privat organisierte Häuser mit den wenigen zugelassenen Besucher*innen nicht kostendeckend arbeiten können. Die Forderung an den Bund ist, die Finanzierungslücke zu schließen und eine Brücke zu schlagen, bis wieder unter Normalbedingungen Konzerte durchgeführt werden können.

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tag klassische Musik Orchester Berufsverbot Initiative Musik Umsatzeinbruch Kulturförderung
Musik Interview

Was möglich ist . Die Münchner Philharmoniker spielen wieder vor Publikum

by Egbert Tholl (25 Jun 2020)
Original source: Süddeutsche Zeitung

In Bayern sind die Hygieneregeln so restriktiv wie in keinem anderen Bundesland. In der Münchner Philharmonie werden nicht nur maximale Abstände zwischen den Besucher*innen eingehalten, auch die Masken dürfen während des Konzerts nicht abgenommen werden. Ob das an dem »offenkundig nutzlosesten Kunstminister« liegt, der dem Hochkulturpublikum keine Disziplin zutraut, sei dahingestellt. Die rund 40 Musiker*innen unter der Leitung von Valery Gergiev lassen sich von den Restriktionen nicht beeinträchtigen. Das symphonische Live-Erlebnis p asst zur Stimmung und verbindet Prokofjew, Schostakowitsch und Schubert.  Die interessanten Umbaupausen zwischen den einzelnen Stücken sind der Tatsache geschuldet, dass das Stück auch fürs Netz aufgezeichnet wird. So werden noch weitere Musikliebhaber in den Genuß des Abends kommen. 

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tag Klassische Musik Münchner Philharmoniker Hygieneregeln Kulturminister Konzert
Musik Kurzkritik

Ein bisschen Event geht immer . Klassik & Corona

by Manuel Brug (20 Jun 2020)
Original source: Welt

Die Freunde der klassischen Musik würden sich aktuell auf einen aufregenden Festivalsommer vorbereiten, würde Corona nicht so ziemlich alles verhindern, was die Klassikwelt beflügelt. Manuel Brug gibt in seinem Beitrag einen Überblick über die Planungen für den Sommer und den Beginn der Spielzeit. 
Der Festivalsommer ist weitgehend abgesagt. Verschiedene Initiativen und Veranstalter haben mit kleineren Konzerten und Veranstaltungen im Netz ein neues Programm entwickelt, das aber kaum unter wirtschaftlichen Bedingungen angeboten werden kann. Die großen Häuser haben sich inzwischen alle in die Sommerpause verabschiedet. In Amerika wurde sogar bereits bekannt gegeben, dass ein regulärer Spielbetrieb erst wieder im Januar aufgenommen wird. Ein Großteil der Orchestermusiker und Chormitglieder wurden bereits entlassen. Für freie Künstler*innen und Ensembles stehen erst einmal keine Jobs in Aussicht. 
Dramatisch ist auch die Lage an den Pariser Opern. Diese waren schon von der Streikwelle im Winter schwer gebeutelt und haben bereits ein Defizit von 40 Millionen Euro angehäuft. Der scheidende Indendant Stéphane Lissner hat sich frühzeitig aus dem Staub gemacht und sein Nachfolger, Alexander Neef, steht noch nicht zur Verfügung, um das Chaos zu beseitigen. 
In Zürich hat man sich eine neue Aufführungspraxis ausgedacht, um möglichst viele Sitzplätze anbieten zu können: Das Orchester wird von einem großen Probenraum aus live zugeschaltet. Auf der Bühne sind höchstens Gesangssolisten und gegebenenfalls kleinere Chorensembles zu erleben. Das Konzerterlebnis aus der Konzerve, um den Business-as-usual-Anschein aufrecht zu erhalten, kann Manuel Brug nicht überzeugen. 
Auch an den deutschen Häusern führt Corona zu großen Spielplanumstellungen. Es werden kleinere Produktionen gezeigt, nur bereits verpflichtete Gäste werden eingesetzt. Lediglich die Bayerische Staatsoper  möchte die Premiere von »7 Deaths of Maria Callas« mit Marina Abramovic zeigen. Dieses Event möchte man sich doch nicht nehmen lassen. 
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tag Klassische Musik Oper Konzerthäuser Spielplan Festivals USA Paris Streaming Marina Abramovic
Musik Bericht

Elend und Energie . Musik in Corona-Zeiten

by Eva Blaskewitz (02 Jun 2020)
Original source: Deutschlandfunk

Eva Blaskewitz nimmt die Zuhörer der Musikszene im Deutschlandfunk mit auf eine Reise durch die Musiklandschaft während der Coronakrise. Sie spricht mit der Sängerin Christiane Karg, die sich ohne Aussicht auf einen baldigen Auftritt stumm fühlt, und mit dem Vision String Quartett, das gerade die Release-Tour zur ersten CD absagen musste. Die jungen Musiker nutzen die Absage, um an ihrer nächsten Platte zu arbeiten. Wie so viele andere freischaffenden Musiker*innen haben sie aber aktuell kaum Einnahmen.
Die Absage aller Konzerte trifft abe r nicht nur die Musiker*innen. Konzertagenturen sind aktuell vor allem mit der Abwicklung nicht stattgefundener Veranstaltungen beschäftigt. Auch wenn die Branche sich über die neue Solidarität unter den Mitgliedern freut, planen lässt sich im Moment nur schwer, da es nach wie vor keine Vorgaben für den Herbst gibt. Ähnlich sieht es in der Kölner Philharmonie oder im Berliner Konzerthaus aus. Hier versucht die Marketingabteilung mit vielfältigen Onlineangeboten den Kontakt zum Publikum zu halten, allerdings ist man sich durchaus bewusst, dass schlecht ausgeleuchtete Streamings aus dem Wohnzimmer nicht den Ansprüchen der Häuser entsprechen. Professionelle Aufnahmen sind aber teuer und in Anbetracht der großen Einnahmeverluste – alleine im Berliner Konzerthaus belaufen sie sich auf 2 Millionen Euro – können sich die Häuser diese kaum leisten.
Gewinner der Krise sind auch in der Musikbranche Streamingdienste. Das auf klassische Musik spezialisierte Startup Idagio hat nicht nur ein breites Spektrum an Aufnahmen im Programm, mit Beginn der Coronakrise wurden auch hier neue Formate entwickelt. Neben Einführungen in Konzerte mit prominenten Musikern wird aktuell an Onlinekonzerten gearbeitet, an denen die Zuhörer*innen mit einer gelösten Eintrittskarte von Zuhause live teilnehmen können.
Neue Konzertformate entstehen aber nicht nur im Internet. Orchester gehen zu ihren Publikum, spielen auf öffentlichen Plätze oder Innenhöfen. Auch Balkonkonzerte professioneller Musiker*innen gibt es in der einen oder anderen Nachbarschaft. Edward Runge und Jacques Ammon, die regelmäßig für ihre Nachbarn spielen, sind sich einig: »Nichts ersetzt das Livekonzert und das gemeinsame Erleben als Publikum.«

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tag klassische Musik Absagen Honorare Konzerthäuser Konzertagenturen Onlineangebote Balkonkonzerte Idagio
Musik Bericht

Wenn der Atem nach Freiheit dürstet . Endlich wieder im Konzert

by Manuel Brug (20 May 2020)
Original source: Welt

Acht Woche und zwei Tage hat der Feuilletonmitarbeiter der Welt Manuel Brug keine Kulturveranstaltung mehr besucht. Für das erste Livekonzert in Coronazeiten fährt er nach Wiesbaden zu den abgespeckten Maifestspielen, die mit dem Weltklassebass und Coronamaßnahmen-Rebell Günther Groissböck eröffnen. Nach einer sehr kurzfristigen Entscheidung der Landesregierung ist in Hessen der Kulturbetrieb wieder eröffnet. In anderen Bundesländern hat die Branche nach wie vor ein Berufsverbot. Dass nun gerade das Staatstheater Wiesbaden innerhalb weniger Tage wieder für Besucher öffnet, hängt auch damit zusammen, dass Uwe-Eric Laufenberg – Schauspieler, Regisseur und Staatsintendant – die Coronamaßnahmen heftig kritisiert hat und damit teilweise auch seine Kolleg*innen vor den Kopf gestoßen hat.
Allerdings kann auch in Wiesbaden aktuell nicht das Originalprogramm gespielt werden. Zwar sind die vorgesehenen Starsänger weitgehend angereist, aber sie können in diesem Jahr nur mit Klavierbegleitung auftreten, haben auf einen Teil ihrer Gage verzichtet und die Anzahl der Zuschauer musste extrem reduziert werden, um die Hygieneregeln einzuhalten. Die Einhaltung der neuen Regeln muss von Personal und Zuschauern noch geübt werden, aber alle sind getragen vom Wunsch, Musik wieder live zu erleben. Und so wundert es den Kritiker nicht, dass das minimalistische Auditorium am Ende des Abends tobt.
Auch wenn in der Corona-Zeit schmerzlich erfahren wurde, dass Kultur nicht systemrelevant ist und von der Politik lediglich zwischen Glücksspiel und Bordell angesiedelt wird, macht dieser Erlebnisbericht Mut darauf, dass der Kulturbetrieb langsam wieder anlaufen darf.
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Musik Erlebnisbericht

Zeitenwende in der Klassik . Konzertveranstalter in der Coronakrise

by Karsten Witt, Eckhard Roelcke (08 May 2020)
Original source: Deutschlandfunk Kultur

Ein struktureller Wandel steht der Klassik-Szene als Folge der Corona-Krise bevor. Wie dieser aussehen wird und welche Chancen die Krise mit sich bringt, darüber spricht Eckhard Roelcke mit dem Musikmanager Karsten Witt. Dieser befürchtet, dass sich nicht nur das Veranstaltungsmanagement für Konzerte nach der Krise radikal ändern wird, sondern prophezeit zudem, dass sich alle Künstler, Ensembles und Orchester, die nicht subventioniert werden, in Zukunft kaum am Markt behaupten können.
Karsten Witt ist Gründer von Karsten Witt Musik Management. Die Konzertvermittler sind von der Krise besonders getroffen, gilt es nun nicht nur ausgefallene Konzerte zu verwalten und Verträge auf die Möglichkeit der Zahlung von Ausfallhonoraren hin zu prüfen, zugleich müssen unter unklaren Bedingungen die kommenden Konzerte geplant werden. Einen Vorteil der Krise sieht der Kulturmanager in der besseren Vernetzung der Szene. So treffen sich nun einmal wöchentlich die Mitglieder der internationalen Artist Managers' Association (IAMA) zu einer Zoom-Konferenz und tauschen sich über aktuelle Fortschritte und Probleme aus. Die Vorteile der direkteren Kommunikation können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das bisherige Geschäftsmodell – Agenturen und Künstler*innen gehen in Vorleistung und werden nach dem Auftritt bezahlt – gescheitert ist. Neben der Diskussion neuer Vertragsmodelle skizziert er im Interview die Auswirkungen der Krise für sein Business: Er geht von einem grundsätzlichen Wandel der Konzertlandschaft sowohl in Deutschland als auch international aus. Wird in naher Zukunft Kammermusik von kleineren Ensembles gespielt werden, so wird sich die Reduktion der Personen auf der Bühne noch viel drastischer in der Minimierung des Publikums spiegeln, wenn nur jeder 6 Platz besetzt werden darf. Private Veranstalter können unter diesen Bedingungen keine Konzertsäle mehr mieten und somit nicht mehr auf dem Markt agieren, was wiederum Auswirkungen auf die Budgetgestaltung der Häuser hat. Zahlungskräftige Sponsoren werden kaum einspringen, so lange die geladenen Gäste nicht im Anschluss an das Konzert zu einem Empfang geladen werden können. Alle Künstler, Ensembles und Orchester, die nicht subventioniert werden, werden sich daher langfristig kaum behaupten können, denn es wird weniger Geld für weniger Konzerte zur Verfügung stehen.
Die Zukunftsaussichten, die Karsten Witt für die klassische Musik in Deutschland, die meist als Solo-Selbständige agierenden Dirigenten und Musiker und die Konzerthäuser sind erschreckend. Was das Interview eindrücklich zeigt: kurzfristige Lösungen sichern zwar vielen Solo-Selbständigen die Zahlungsfähigkeit, viele Aufträge und Arbeitsplätze werden aber langfristig verloren gehen.
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Musik Interview

Kultur in der Corona-Krise . Erwacht endlich aus der Schockstarre!

by Marco Frei, Christian Wildhagen (01 May 2020)
Original source: Neue Züricher Zeitung

»Die Stimmung kippt.« Wie ein Warnruf an die Politik klingt der Auftakt des Artikels von Marco Frei und Christian Wildhagen. Sie registrieren Unmut in der Kulturbranche, fragen nach den Ursachen des langen Stillhaltens und ermutigen Musiker*innen und Veranstalter nicht länger der Politik das Zepter zu überlassen. Die Lage ist bekannt: Zahlreiche Kulturschaffende fallen durch das Raster der aufgelegten Hilfsprogramme und müssen Grundsicherung beantragen. Zwar geben getroffene politische Entscheidungen zum Verbot von Großveranstaltungen Pla nungssicherheit, lassen aber auch die Aussichten auf die zweite Jahreshälfte als wenig erfolgversprechend erscheinen, da viele weitere Festivals und Veranstaltungen Ende April abgesagt werden mussten. Hat die Branche die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie bislang klaglos mitgetragen, regt sich nun Widerstand gegen den Kahlschlag. In Deutschland ist dieser schon etwas länger zu beobachten, nachdem die Landesregierungen über Lockerungen für Biergärten und Pediküre nicht aber für die Musikbranche gesprochen haben. In einem Offenen Brief haben Anne-Sophie Mutter, Matthias Goerne, Christian Thielemann und andere Klassik-Größen nun ihren Unmut kundgetan. Dass der Protest erst so spät kommt, führen die Autoren Marco Frei und Christian Wildhagen auf ein »mangelndes Selbstwertgefühl der Künstler« zurück. Diese sind sich weder bewusst, dass sie in der Gesellschaft selbst ihre größte Lobby haben und mit der Kreativbranche als »wirtschaftlich signifikante Grösse« punkten können. Um sich Gehör zu verschaffen, bedarf es aber auch eines »Konzepts für Kultur unter den Bedingungen der Pandemie«. Das, so die Autoren, gibt es bislang nicht. Online-Angebote wie live-Konzerte oder das Streamern von Archivmaterial sind nicht nur in dem Zahl der Zugriffe von der Prominenz der Beteiligten abhängig, sie haben auch rückläufige Zugriffszahlen. Dass dem so ist und dass ein Onlineangebot weder klangtechnisch noch atmosphärisch ein Live-Kulturerlebnis ersetzen kann, ist auch den Veranstaltern bewusst. So haben sich nun vierzig Musikfestivals in Deutschland an die Bundesregierung gewandt, nicht nur mit der Bitte differenzierte Maßnahmen für unterschiedliche Veranstaltungsformen und -größen zu erlassen, sondern zugleich mit der Mahnung der »Gleichbehandlung von Kultur mit Sport, Religionsgemeinschaften und Wirtschaft«. Statt auf die Rechtsunsicherheiten und die fehlende Entscheidungsfreude der Politik mit einer Schockstarre zu reagieren, empfehlen die Autoren sich ein Vorbild an der Fußball-Bundesliga zu nehmen und selbst mit Experten Hygienekonzepte zu entwickeln. Wichtig wäre aber auch hierfür, dass die Akteure gemeinsam agieren und nicht jedes Haus an seinem eigenen Konzept arbeitet. Einzelne Orchester spielen bereits wieder. Am 1. Mai fand das traditionelle Europakonzert der Berliner Philharmoniker in reduzierter Besetzung und ohne Publikum statt. Auch das Musikkollegium Winterthur, die Münchner Philharmoniker und das Tonhalle-Orchester Zürich arbeiten an Hygienekonzepten. Dazu gibt es vor und auf der Bühne vieles zu bedenken – vor allem aber stellt sich die Frage, ob sich eine Veranstaltung unter solchen Bedienungen rechnet. So komplex die Probleme sind, sollten die Kultureinrichtungen sich nun nicht von der Politik das Heft aus der Hand nehmen lassen, sondern im Blick auf andere gesellschaftliche Bereiche die Nischen suchen, in denen Kulturarbeit möglich ist. Wenn Gottesdienste und Fußballspiele wieder möglich sind, warum sollten es Kammerkonzerte nicht sein? Zur Not müsste unter Berufung auf den rechtsstaatlichen Grundsatz der Gleichbehandlung die Öffnung von Kulturveranstaltungen eingefordert werden. Für den Erfolg einer Klage sieht der deutsche FDP-Politiker Wolfgang Kubicki gute Chancen: »Meine Prognose ist: In einigen Wochen wird auch bei den Gerichten der Geduldsfaden reissen. Dann wird es rechtlich nicht mehr möglich sein, bestimmte Veranstaltungen zu verbieten, obwohl sie die gleichen Voraussetzungen erfüllen wie andere.«

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Musik Beitrag

Kreatives Kulturleben in Zeiten von Corona

by Torsten Landsberg, Sertan Sanderson (12 Mar 2020)
Original source: Deutsche Welle

Mit Beginn der Coronakrise wurden weltweit Konzerte abgesagt und Kultureinrichtungen mussten schließen. Das hindert Orchester und Ensembles nicht daran zu spielen. In Venedigs Teatro La Fenice spielte das Quartetto Dafne Ludwig van Beethovens Streichquartett Nr. 4 in c-Moll Op. 18 Nr. 4 und Aleksander Borodins Streichquartett Nr. 2 in D-Dur vor leerem Haus und streamte live in die Wohnzimmer der Musikliebhaber. Unter dem Hashtag  #iorestoacasa versehen - »Ich bleibe zu Hause« wird in Italien nicht nur ein Zeichen der Solidari tät mit den erkrankten Menschen gesetzt, sondern ebenso gezeigt, dass Kunst und Kultur vor dem Virus nicht kapitulieren. 
Aus Konzertsälen und Wohnzimmern weltweit wird live gestreamt. Das gilt nicht nur für die klassische Musik. So hat beispielsweise die italienische Sängerin Gianna Nannini ihre Fans mit einem Hauskonzert als Maßnahme gegen die Corona-Einsamkeit überrascht. 
Die Situation ist einmalig. Selbst Geoffry Wharton, der 30 Jahre als Konzertmeister beim Gürzenich Orchester in Köln tätig war, kann sich an eine vergleichbare Welle an Konzertabsagen nicht erinnern. Besondere Sorgen macht er sich in dieser Situation um seine freiberuflichen Kolleg*innen, die eine solche Welle an Absagen ökonomisch nicht lange überstehen können. 

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Musik Bericht

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Bei facing arts handelt es sich um ein non-profit-Projekt, das Sie gerne unterstützen können. Nutzen Sie dazu unser Kontaktformular – wir setzen uns gerne mit Ihnen in Verbindung!

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Facing arts ist ein Projekt von STORM.

STORM spielt als Akronym mit den Namen Miriam Seidler und Tim Otto Roth, die wie viele anderen Freischaffende von der Corona-Krise betroffen sind. Miriam Seidler ist promovierte Literaturwissenschaftlerin. Sie publizierte u.a. ein Übersichtswerk zum Alter in der zeitgenössischen Literatur und ist Herausgeberin der Buchreihe Ästhetische Signaturen. Neben ihrer freien wissenschaftlichen Forschung arbeitet sie aktuell als Lektorin und Fachfrau für Öffentlichkeitsarbeit. Tim Otto Roth ist promovierter Kunst- und Wissenschaftshistoriker, Konzeptkünstler und Komponist. In seiner künstlerischen Arbeit ist er vor allem bekannt durch Großprojekte im öffentlichen Raum, Kooperationen mit führenden Wissenschaftseinrichtungen und seine immersiven Licht- und Klanginstallationen.
Miriam Seidler und Tim Otto Roth arbeiten schon seit vielen Jahren immer wieder in unterschiedlichen Projekten zusammen. Neben gemeinsam kuratierten Ausstellungen hat Miriam Seidler das Projektmanagement für Roths immersive Licht- und Klanginstallation [aiskju:b] und die Pressearbeit für verschiedene Projekte übernommen. Mit facing arts realisieren sie ihr erstes künstlerisches Werk.
Weitere Informationen zu den beiden Projektinitiatoren erhalten Sie unter www.miriamseidler.de bzw. www.imachination.net.

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